„Zwölf Gänge, ein Gletscherblick und ganz viel Leidenschaft“

Sternekoch Dávid Rózsa - Restaurant «1910 · Gourmet by Hausers»

Ein Gespräch mit Dávid Rózsa
Inmitten der majestätischen Kulisse von Grindelwald, im Gourmetbereich des traditionsreichen Hotels, formt David Rozsa mit seinem Team eine der spannendsten Küchen der Schweiz. Zwischen nordischem Minimalismus, klassisch französischer Basis, ungarischen Wurzeln und Schweizer Produkten entsteht ein Stil, der ebenso kosmopolitisch wie bodenständig ist. Ein Gespräch über wilde Menüs, vegane Grenzen und fermentierten Sellerie.


Magazin: David, du sprichst von einem „vegetarischen Gehirn“ – was meinst du damit?
Chef Dávid: (lacht) Ja, so nennen wir es intern. Wir haben dieses Jahr zum ersten Mal ein reinvegetarisches Menü geplant. Nach Wild, Fleisch und Fisch starten wir jetzt – passend nach der Urlaubspause – mit einem vegetarischen Fine-Dining-Erlebnis.
Magazin: Wie ist das Menü aufgebaut?
Chef Dávid: Sechs offizielle Gänge mit Weinbegleitung – aber insgesamt servieren wir über zehn, oft zwölf kleine Gerichte. Da kommen Zwischengänge, ein Pre-Dessert, vielleicht ein Schluck Gin & Tonic in Kakaobutter – kleine Überraschungen zwischen den Gängen.
Magazin: Was kostet das Menü?
Chef Dávid: Das Menü selbst liegt bei 190 Franken. Die Weinbegleitung – ausschließlich Bio, Slow Food und aus der Schweiz – kommt dazu. Auch Säfte und Biere aus der Region bieten wir an. Alles sehr bewusst ausgewählt.
Magazin: Und das stemmt ihr alles aus einer einzigen Küche?
Chef Dávid: Ja. Ob Schnitzel für das Hotelrestaurant oder das Gourmetmenü – alles wird in einer Küche vorbereitet. Wir sind ein kleines Team, sechs Leute in der Küche plus zwei Spüler. Aber ich habe Glück: Mein Team bringt Erfahrung aus Sternerestaurants in Portugal, Deutschland und der Schweiz mit.

Magazin: Ihr seid also international aufgestellt?
Chef Dávid: Absolut. Wir sprechen Englisch in der Küche, ein bisschen Ungarisch untereinander – mein Deutsch ist daher noch in Entwicklung. Aber unser Team ist sehr stark.
Magazin: Wie bist du eigentlich in der Schweiz gelandet?
Chef Dávid: Ich lebte in Dublin, wollte Skifahren lernen – kam für eine Saison. Und dann blieb ich. Erst der Winter, dann noch ein Sommer… mittlerweile bin ich seit sechs Jahren hier.
Magazin: Was zeichnet deinen Kochstil aus?
Chef Dávid: Ich verbinde nordischen Minimalismus – inspiriert durch meine Zeit in einem Drei-Sterne-Haus in Kopenhagen – mit klassischer französischer Technik. Aber auch japanische Einflüsse sind dabei. Die Basis bleibt französisch – viel Butter, klare Techniken. Und meine ungarische Herkunft bringe ich punktuell ein: Zum Beispiel ein Pilz-Pörkölt mit regionalen Pilzen von Fungi Futuri.
Magazin: Wie wichtig ist dir Regionalität?
Chef Dávid: Sehr wichtig. Wir arbeiten fast ausschließlich mit regionalem Bio-Gemüse. Im Winter fermentieren wir vieles im Voraus. Sellerie zum Beispiel reiben wir nach einem Jahr Salzlagerung über ein Gericht – Umami pur.
Magazin: Nachhaltigkeit ist also mehr als nur ein Schlagwort?
Chef Dávid: Ja. Wir gehören zu „United Against Waste“ und verwenden beispielsweise Kartoffelschalen als knusprige Garnitur für unsere Gnocchi. Nichts soll verschwendet werden.
Magazin: Wie groß ist der Einfluss der Natur auf deine Küche?
Chef Dávid: Riesig. Wir haben eine Kräuterfrau mit Wildsammler-Zertifikat. Sie versorgt uns mit frischen Kräutern, Pilzen, Wurzeln. Zusätzlich haben wir ein eigenes Beet für Basisgemüse – und leben mitten im Paradies.
Magazin: Und bei aller Naturverbundenheit: Wie stehst du zur veganen Küche?
Chef Dávid: Vegan ist bei uns punktuell integriert – etwa bei Amuse oder Vorspeisen. Aber ein rein veganes Menü? Schwierig, besonders hier, wo Milchprodukte eine zentrale Rolle spielen. Vegetarisch ist aktuell viel gefragter, da sehen wir deutlichen Zuwachs.
Magazin: Wie funktioniert bei euch der Service? Erklärt die Küche die Gerichte?
Chef Dávid: Unsere Servicemitarbeiter machen das. Sie werden zwei Wochen vor jedem Menüwechsel gebrieft. Der direkte Austausch mit dem Gast ist uns wichtig, aber nicht inszeniert – keine Skizzen, kein Showtelling.
Magazin: Welche Techniken setzt du ein, um Geschmack zu maximieren?
Chef Dávid: Fermentation ist für uns zentral. Koji, Miso, Gemüsepasten – das gibt Tiefe. Auch trockengereifter Zander gehört dazu. Klassik trifft auf neue Techniken.
Magazin: Welche kulturellen Erfahrungen haben dich geprägt?
Chef Dávid: Irland war anders – da habe ich einen offenen, kreativen Umgang mit Zutaten kennengelernt. In Ungarn ist vieles deftig, fettig. Das balancieren wir heute besser aus. Ich habe meinen Stil gefunden – aber wir entwickeln das Menü immer gemeinsam im Team.
Magazin: Wie siehst du die Zukunft der Sterneküche?
Chef Dávid: Der Trend geht zu mehr Zugänglichkeit. Ein Stern darf freundlich, familiär sein. Zwei oder drei Sterne sind oft formeller. Aber auch hier ändert sich viel. In Thailand zum Beispiel hatte ich ein Zwei-Sterne-Menü in einer Garküche. Der Fokus lag nur auf dem Geschmack – das zählt.
Magazin: In Grindelwald bist du derzeit das kulinarische Aushängeschild.
Chef Dávid: Ja, und das ist eine schöne Aufgabe. Aber hier gibt es viele talentierte Kollegen. Einige brauchen vielleicht noch etwas Zeit oder das richtige Momentum, um vom Michelin entdeckt zu werden.
Magazin: Was wünschst du dir für die Zukunft?
Chef Dávid: Dass die Leute offener werden für neue Konzepte – vegetarisch, nachhaltig, regional. Und dass wir Köche nicht nur als Handwerker gesehen werden, sondern auch als kreative Menschen, die etwas bewegen wollen. Ich wünsche mir Gäste, die neugierig sind und mit uns diesen Weg gehen.
Magazin: Letzte Frage: Gibt es ein spezielles Geschirrdesign bei dir?
Chef Dávid: Ja, das ist in Arbeit. Ich arbeite mit einer Designerin zusammen, die in Kopenhagen, Japan und jetzt in Bern lebt. Sie versteht unsere Ästhetik und produziert exklusiv für uns – sehr reduziert, handgefertigt. Das erste Geschirr ist bereits im Einsatz.
Magazin: David, vielen Dank für das inspirierende Gespräch und weiterhin viel Erfolg in Grindelwald!

Teile diesen Beitrag:

Verified by MonsterInsights