Der Bocuse d’Or Weltmeistertitel gilt als der Oskar für Köch:innen, die mit hervorragendem handwerklichen Talent, einem hohen Maß an Kreativität, bestem Teamflow und ausdauernd starken Nerven gesegnet sind. Diese weltweit begehrteste Auszeichnung für Kochprofis gilt als sicheres Ticket in die Welt der internationalen Spitzengastronomie. Trotzdem hat sich der „Goldene Bocuse“ in Deutschland als weltweit begehrte Wettbewerbstrophäe nie richtig
durchgesetzt. Es muss ja nicht immer Baiersbronn sein: Unsere Autorin Anke Sademann besuchte für ChefHeads den ersten, einzigen und bis dato letzten deutschstämmigen Preisträger Claus Weitbrecht im hinterwäldlerisch beschaulichen Nordschwarzwald, um ihn einmal en passage auf seinem heutigen Lebensweg zu treffen. 2003 wurde er Dritter im Weltklasse-Wettbewerb und erhielt den Bocuse d`Or in Bronze. Doch das war nicht sein erster, sondern der letzte Schritt auf seiner internationalen, ja weltweit ausstrahlenden Karriereleiter. Vor dem Bocuse-Ritterschlag hatte er bereits zahlreiche renommierte Wettbewerbe gewonnen. Der talentierte Weitbrecht ist im Anschluss an die höchste Auszeichnung zu seinen Wurzeln in seine Heimat Wildberg zurückgekehrt. Im Interview stellen wir ihm einige Fragen zu seinem Weg und wie es war, mit der Trophäe Bocuse d’Or in der Hand – vom kulinarischen Gipfel aller
Kochwettbewerbe – zurück zum elterlichen Gasthof „Talblick“, den er bis heute im Familienverbund weiterführt, zurückzukehren

Als Nordschwarzwälder habe ich eines gelernt: in der Ruhe liegt die Kraft. Der Stress war am Schluss so groß, dass für Nervosität keine Zeit blieb.

Bis 2017 (Bocuse d’Or fand schon vor 30 Jahren während der Messe SIRHA in Lyon statt) wachte der am 20. Januar 2018 im Alter von 91 Jahren verstorbene Grand Seigneur aller Maîtres de Cuisine noch persönlich über den weltweit renommiertesten Profi-Kochwettbewerb, der seit 1987 ausgetragen wird. Und am 29. Januar 2003 überreichte der Meisterkoch noch persönlich dem damals 29-jährigen Claus Weitbrecht den Bocuse d’Or in Bronze – als erstem, einzigem und bis heute letzten gebürtigen deutschen Gewinner dieses Wettbewerbsformats.
In der Öffentlichkeit gibt sich Weitbrecht bis heute bescheiden, nicht einmal bei Wikipedia findet sich ein Eintrag über ihn. Er sei doch nur der bislang letzte deutsche Gewinner des „Goldenen Bocuse“, der es auf das Siegertreppchen geschafft habe, denn auch Hans Haas (1987) und Patrick Jaros (1995) hätten die deutschen Farben beim prestigeträchtigsten Kochwettbewerb erfolgreich vertreten – wie er mit dem Bocuse d’Or Bronze Platz, beschwichtigt er beim Nachhaken. Aber Fakt ist: Haas ist gebürtiger Österreicher, Jaros gebürtiger Tscheche. Mit 940 von 1000 möglichen Punkten hat der Nordschwarzwälder 2003 also als einziger Deutscher den dritten Platz belegt. Besser waren nur der Norweger Charles Tjessem mit 944 und der Franzose Franck Putelat mit 943 Punkten. Das Gold ging knapp an ihm vorbei: Noch nie lagen die drei Erstplatzierten so dicht beieinander. Neben der Jury war natürlich Bocuse der entscheidende Qualitätsprüfer für den mit 10.000 Euro dotierten Preis: „Die Kochkunst soll triumphieren, sich als Symbol des Lebens präsentieren“, soll der Maître gesagt haben, und die Deutschen habe er generell eigentlich nicht so sehr gemocht. Dabei könnte Claus Weitbrecht mit seinem dunklen Schnurrbart, seiner Koch-Emoji-Anmutung und seiner großen Leidenschaft und „Amour Fou“ für seine Berufung als Koch auch glatt als Franzose durchgehen.

Aus alten Zeitungsberichten geht hervor, dass eine 24-köpfige Jury aus 24 Ländern, darunter Island, Japan, Brasilien, Belgien, Norwegen, Frankreich und Deutschland, auch 2003 die Kreationen der Bocuse-Preisanwärter nach Aussehen, Geschmack, Arbeitsweise und pünktlichem Servieren bewertete. Jedes Teilnehmerland stellte seine eigenen Juroren. Aus Deutschland war es damals Ernst-Ulrich Schassberger – der Präsident der Köche-Vereinigung „Eurotoques“, die den Wettbewerb auch mitfinanzierte. Rund 3000 Zuschauer begutachteten am 28. und Januar 2003 in Lyon die Teilnehmer (30 Minuten vor Ende der Wettbewerbszeit) hinter den gläsernen Wänden ihrer Küchen-Boxen. Auch der deutsche Aspirant Claus Weitbrecht, der sich bereits in der Vorentscheidung bei den German Masters gegen 34 Mitbewerber durchgesetzt hatte, musste zusammen mit seinem damals 21-jährigen Chef de Commis Ludwig Heer die vorgegebenen Produkte vor den strengen Augen der Jury zubereiten. Die vorgegebenen Zutaten waren 2003 Lachsforelle, Ochsenschwanz und Rinderfilet. Die Auswahl und Zubereitungstechnik seiner Wettbewerbs-Fleisch- und Fischplatte hatte CW mehrfach mit seinen früheren Lehrmeistern besprochen und in vielen Übungsrunden hart an der Perfektion seines Gerichtes gearbeitet. Damals hätten die Konkurrenten schon größere Sponsorenbudgets und viel mehr Vorbereitungszeit in der Vorrunde gehabt. Die deutsche Teilnahme wurde damals – wohl eher „bescheiden“ – von Eurotoques (Vereinigung der Spitzenköche) gesponsert.

Fazit mit Schlüsselpunkten

Eigentlich war die Karriere des damals noch sehr umtriebigen und ehrgeizigen Claus Weitbrecht geebnet, und doch kehrte er am Ende seiner Gipfel-Wanderung bis in die erste Welt-Liga nach Wildberg zurück, um sein Versprechen zu halten, zurückzukommen und den Betrieb zu übernehmen. „Die Großeltern arbeiteten bis ins Alter von 70 Jahren. Also denen hätte ich schon das Herz gebrochen, wenn ich den Betrieb später nicht übernommen hätte. Sie haben bei null angefangen. Mein Großvater hat nebenbei noch in der Fabrik gearbeitet. Es war damals ein noch härterer Brotjob als heute“, resümiert der Gastwirtenkel Weitbrecht seine
Entscheidung. Genauso zielstrebig wie zu den internationalen Wettbewerben und mit klaren Vorstellungen, was er aus dem elterlichen Gasthof machen wollte, ging der frisch gekürte Spitzenkoch also Back tot he roots – zurück in den Nordschwarzwald. Dort kocht er seither im Restaurant des (groß-) elterlichen Hotel und Gasthauses „Talblick“ für Bodenständige und Gourmets gleichermaßen.

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