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Wildberg im Nordschwarzwald

Vom Weltgipfel ins Heimattal
Der Bocuse d’Or Weltmeistertitel gilt als der Oskar für Köch:innen, die mit hervorragendem handwerklichen Talent, einem hohen Maß an Kreativität, bestem Teamflow und ausdauernd starken Nerven gesegnet sind. Diese weltweit begehrteste Auszeichnung für Kochprofis gilt als sicheres Ticket in die Welt der internationalen Spitzengastronomie. Trotzdem hat sich der „Goldene Bocuse“ in Deutschland als weltweit begehrte Wettbewerbstrophäe nie richtig durchgesetzt.
Es muss ja nicht immer Baiersbronn sein: Unsere Autorin Anke Sademann besuchte für Chefheads den ersten, einzigen und letzten deutschstämmigen Preisträger Claus Weitbrecht im hinterwäldlerisch beschaulichen Nordschwarzwald, um ihn einmal `en passage` auf seinem heutigen Lebensweg zu treffen. 2003 wurde er Dritter im Weltklasse-Wettbewerb und erhielt den Bocuse d`Or in Bronze. Doch das war nicht sein erster, sondern der letzte Schritt auf seiner internationalen, ja weltweit ausstrahlenden Karriereleiter. Vor dem Bocuse-Ritterschlag hatte er bereits zahlreiche renommierte Wettbewerbe gewonnen. Der talentierte Weitbrecht ist im Anschluss an die höchste Auszeichnung zu seinen Wurzeln in seine Heimat Wildberg zurückgekehrt. Im Interview stellen wir ihm einige Fragen zu seinem Weg und wie es war, mit der Trophäe Bocuse d’Or in der Hand – vom kulinarischen Gipfel aller Kochwettbewerbe – zurück zum elterlichen Gasthof „Talblick“, den er bis heute im Familienverbund weiterführt, zurückzukehren.
Mitten im Naturpark Schwarzwald Mitte-Nord im Landkreis Calw wurde (und wird) in der UNESCO-Schäferlaufstadt Wildberg Chefgeschichte geschrieben. Dort, wo sich Fuchs, Hase und Schaf gute Nacht sagen, leuchten die Sterne besonders hell am Himmel über dem riesigen Waldgebiet. Mit seinen 375.000 Hektar zählt es zu den größten Deutschlands. Schon die Römer ließen sich in dem heute als Luftkurort anerkannten Ort nieder. Der Stadtkern ist Spiegel einer langen Geschichte. Abseits des großen Welten-Trubels residiert und kocht hier ein Küchenchef, der einst zu den größten Kochtalenten der Welt zählte. Ein bisschen wie ein kulinarisches Märchen von einem, der auszog, die Welt zu erobern, um reich an Erfahrungen auf dem Teller zurückzukehren, erzählt sich die Geschichte des Wildberger Spitzenkochs Claus Weitbrecht. Seit mehr als 20 Jahren führt er in dritter Generation den Betrieb seiner Großeltern und Eltern weiter, obwohl er eine in deutschen Landen bislang einzigartige, ikonische Auszeichnung auf Weltniveau vorweisen kann.
Rückblick mit Talblick
Es geht ziemlich steil hinauf zum Bahnhofsträssle 6 in Richtung des Wächterbergs: Über dem Glasanbau des Gourmet-Restaurants „Talblick“, das nachts fast feierlich von Kerzenlicht erhellt wird, sind in der lichtsmogfreien Abgeschiedenheit des Fine Dining-Restaurants von Claus Weitbrecht die Sterne am Nachthimmel besonders gut zu sehen. Doch es sind keine Michelin-Sterne, die seit mehr als zwei Jahrzehnten viele kundige und geschmacksbegeisterte Feinschmecker ins abgelegene Wildberg locken. Kein Geringerer als das bronzene Abbild von Paul Bocuse empfängt die Gäste im Entrée. Mit hoher Kochmütze und verschränkten Armen wacht der französische Superkoch hier seit genau 22 Jahren in einer Schrein -artigen Vitrine auf einer Weltkugel. Weitere Siegesurkunden mit französischer Schnörkelschrift, polierte Medaillen und andere Kochpokale begleiten das triumphale Stillleben.


Der goldene Bocuse in Bronze ging erstmals an L´Allemagne
Bis 2017 (Bocuse d’Or fand schon vor 30 Jahren während der Messe SIRHA in Lyon statt) wachte der am 20. Januar 2018 im Alter von 91 Jahren verstorbene Grand Seigneur aller Maîtres de Cuisine noch persönlich über den weltweit renommiertesten Profi-Kochwettbewerb, der seit 1987 ausgetragen wird. Und am 29. Januar 2003 überreichte der Meisterkoch noch persönlich dem damals 29-jährigen Claus Weitbrecht den Bocuse d’Or in Bronze – als erstem, einzigem und bis heute letzten gebürtigen deutschen Gewinner dieses Wettbewerbsformats. In der Öffentlichkeit gibt sich Weitbrecht bis heute bescheiden, nicht einmal bei Wikipedia findet sich ein Eintrag über ihn. Er sei doch nur der bislang letzte deutsche Gewinner des „Goldenen Bocuse“, der es auf das Siegertreppchen geschafft habe, denn auch Hans Haas (1987) und Patrick Jaros (1995) hätten die deutschen Farben beim prestigeträchtigsten Kochwettbewerb erfolgreich vertreten – wie er mit dem Bocuse d’Or Bronze Platz, beschwichtigt er beim Nachhaken. Aber Fakt ist: Haas ist gebürtiger Österreicher, Jaros gebürtiger Tscheche.
Mit 940 von 1000 möglichen Punkten hat der Nordschwarzwälder 2003 also als einziger Deutscher den dritten Platz belegt. Besser waren nur der Norweger Charles Tjessem mit 944 und der Franzose Franck Putela mit 943 Punkten. Das Gold ging knapp an ihm vorbei: Noch nie lagen die drei Erstplatzierten so dicht beieinander. Neben der Jury war natürlich Bocuse der entscheidende Qualitätsprüfer für den mit 10.000 Euro dotierten Preis: „Die Kochkunst soll triumphieren, sich als Symbol des Lebens präsentieren“, soll der Maître gesagt haben, und die Deutschen habe er generell eigentlich nicht so sehr gemocht. Dabei könnte Claus Weitbrecht mit seinem dunklen Schnurrbart, seiner Koch-Emoji-Anmutung und seiner großen Leidenschaft und „Amour Fou“ für seine Berufung als Koch auch glatt als Franzose durchgehen.