Eine Wein- und Entdeckungsreise durch Japan

Von Claudia Stern

Japan – lange war das für mich ein Synonym für Umami. Für Tiefe, Klarheit, Reduktion. Für Fisch in Perfektion, Reis in Ritualform, Fermentation als Philosophie. Und ja: All das gibt es. Aber es ist nicht alles. Und wird nun ergänzt durch Umami im Wein, vor allem beim Pinot Noir.

Claudia Stern auf Japan-Reise im ChefHeads-Magazin Juli25

Was man selten sagt, wenn man aus Japan zurückkehrt: Wie oft man Glutamat schmeckt. Wie gleichförmig vieles wirkt. Wie schwer es ist, nach drei Wochen Reise noch überrascht zu werden. Ich habe gut gegessen – aber nicht immer inspiriert. Nicht immer warm empfangen. Und selten gewürzt mit dem, was Küche für mich ausmacht: Persönlichkeit.

Die große Stille Die formale Strenge der japanischen Esskultur ist bewundernswert. Präzision in jeder Geste. Perfektion in Messerführung, Temperatur, Präsentation. Aber diese Strenge schafft auch Distanz. Man ist oft Zuschauer, nicht Mitspieler. Small Talk? Unüblich. Fragen? Meist reserviert oder emotionslos beantwortet. Ich habe viel beobachtet, aber nicht immer verstanden, was ich schmecken sollte. Ich wurde satt – aber selten berührt.

Große Namen, große Erwartungen. Natürlich waren wir in renommierten Häusern. Kaiseki-Menüs, Sushi auf Sterneniveau, Soba aus Manufakturen. Technisch makellos – doch oft wirkte es wie ein Pflichtprogramm. Ein Hochamt ohne Seele. Trotz aller Saisonalität: Es gibt Grenzen, was man aus Taro, Alge und Miso herausholen kann, wenn keine Handschrift spürbar ist. Japanisches Frühstück: Ja, natürlich muss man das erlebt haben. In Nara – mit Blick auf die Rehe – war es eindrücklich. Die Misosuppe am Morgen: salzig, tief, warm, ehrlich. Pickles als tägliches Highlight. Und frischer Ingwer – so köstlich anders, dass wir ihn im Gepäck mit nach Köln brachten.

Die eigentlichen Highlights? Sie lagen abseits der Sterne. Sugari – the art of Ramen in Kyoto: langer Tresen, minimalistisches Design, unfassbare Suppenkreation.

Hier gibt es noch ein super Video zum Einbetten mit der langen Bar….

Oder unsere Fahrradtour über den Shimanami Kaido zu den Zitroneninseln. Kulinarischer Höhepunkt: das Restaurant Minatoya Setoda im Hotel Soil Setoda. Wir kamen hungrig – bestellten alles. Das rief Küchenchef Yutaro Terada auf den Plan. Neugierig kam er aus der offenen Küche. Er brachte frisch geernteten Sansho-Pfeffer von der Nachbarinsel und freute sich über den Austausch. Am nächsten Tag trafen wir ihn wieder – in einer schlichten Ramenbar, wo die Zitrone der Insel das Gericht krönte. Diese Zitrusfrische bleibt mir ewig in Erinnerung.

Kyoto, erneut: die beste Ramensuppe der Reise. Silberne Wasserschalen, kunstvolle Inszenierung. Abends dann lockere Izakayas – besonders in der Mon Winebar, wo Koch, Sommelier und Kellner als Team agieren. Dort: ein umwerfender Chardonnay 2023 von Kitani Wine aus Nara. Ein Wein von einem guten Typen. Saftig, elegant, mit einer vibrierenden Säure und dieser japanischen Ruhe, die nichts erklären muss. Er erzählte vom Mut zur Reduktion. Ein Wein, der nachklingt.

Und dann die Sangha Kyotomonkbar: Barkultur auf höchstem Niveau. Sommelière Tomomi Wakamori – eine Offenbarung. Ihr Weinkeller: ausschließlich japanische Topgewächse. An der Theke: fünf Glasweine zum Probieren. Jeder einzelne ein Fenster in eine stille, komplexe Welt. Hier traf ich erstmals auf Funky Chateau – ein Weingut, das man sich merken sollte.

Tomomi Wakamori

Hikiniku To Come – ein Erlebnis. Ein Signature Dish, der unsere Fantasie immer noch beflügelt: ein modernes Tsukune, nicht aus Huhn, sondern Rind – Schulter und Wade. Saftig. Kraftvoll. Minimalistisch inszeniert mit frischem Reis, Brühe, Salzzitrone, Rettich, Pickles, Soja-Essig-Komposition. Gastgeber Shinichi Higuchi: Herz, Hirn und Handwerk. 11 festangestellte Köch:innen, 15 Studierende im Service – alles englischsprachig. Wir standen morgens um neun Uhr in der Schlange, um einen Platz zu reservieren. Es war jeden Moment wert. Hier fehlte eigentlich nur eine kleine feine Weinkarte – man wünscht sich fast ein Glas Pinot zur Salzzitrone.

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Plus Video von der Köchin und der Theke

Wein mit Umami

Die größte Überraschung war: der Wein. Japanischer Wein. Leise, vielschichtig, berührend. Weine, die nicht dominieren, sondern begleiten. Die sich einfügen und gleichzeitig erzählen. Von Wind und Nebel, von kleinen Parzellen, von Geduld.

Noch vor 20 Jahren war japanischer Wein kaum präsent. Heute: über 500 Weingüter. Viele klein, handwerklich, visionär. In winzigen Parzellen. Trotz widriger Bedingungen – Regen, Pilzkrankheiten, kurze Vegetation – entstehen spannende Weine, besonders im Norden: Yamanashi, Nagano, Hokkaido.

Hokkaido – das neue Pinot-Wunder – lange als zu kalt gehandelt, ist Hokkaido heute Experimentierfeld für Pinot Noir und Chardonnay. Die Weine: duftig, elegant, mit Umami-Finish. Takahiko Soga ist der Pionier. Seine Pinot Noirs – burgundisch inspiriert, japanisch geprägt. Weine mit Seele, mit Stillstand und Tiefe. Die Sommelière Wakamori nennt sie das „Romanée-Conti Japans“ – ein Kompliment, das passt.

Die Domaine Atsushi Suzuki: jung, bescheiden, transparent. Atsushi Suzuki vinifiziert mit Humor und Demut. Seine Weine und Etiketten sind zart, manchmal verspielt, aber bestimmt. Wenn der Powerwinzer eine kreativ-Pause braucht, macht er Musik.

Sehr rar sind die Weine des burgundischen Top-Winzers Étienne de Montille, der die traumschöne Landschaft für sich entdeckte und gemeinsam mit Hayuru Yano seit 2023 in Hakodate Erfolge landet. Die Region erinnert mich auch an Oregon. Ganz liebevoll und spannend: Due Punti Winery – italienische Eleganz trifft japanische Präzision. Shinsuke Isakas Weine: filigran, kühl, voller Spannung. Der Stil: Terroir geprägt und überzeugend.

Master Sommelier Toru Takamatsu brachte es im Gespräch auf den Punkt: Japans Weinzukunft ist leise, aber entschlossen. So wie sein Plan, in den nächsten Jahren den besten Chardonnay Japans zu vinifizieren. Ich glaube ihm jedes Wort.

Die Japanischen Alpen sind ja nur 1 ½ Stunden von Tokyo entfernt und dieses Naturschauspiel muss man erleben. Grace Wine und die Misawa Winery in Yamanashi ist ein Vorzeigebetrieb. Präzise Rebschnitte, gezielte Lese, klare Stilistik. Koshu: mineralisch, salzig, subtil. Das Gespräch mit Familie Misawa – ein Austausch über Geduld, Demut und einem Schaumwein, der sicherlich der beste Japans ist und mit salziger Chardonnay-Typizität und einem langen Hefelager absolut selbstverständlich ist. Leider war die junge Önologin, die in Japan richtig Furore macht, selbst nicht vor Ort, aber wir werden wieder kommen um ihr Schaumweinprojekt zu unterstützen.

Funky Chateau in Nagano ist hingegen ganz anders. In den Höhenlagen von Nagano entstehen Weine mit Frische und Tiefe. Funky Chateau arbeitet ausschließlich biologisch, spontanvergoren, unfiltriert. Mutig, klar, voller Textur. Weine mit Eigensinn – und Herz, Ob Pinot, Chardonnay oder Merlot.

Kitani ist das Startup Weingut in Nara. Kitani Kazuto ist jung und macht vielversprechende Weine. Der Chardonnay: naturbelassen mit kaum Schwefel, ein Wein mit Neugier, mit Rohheit, mit Zukunft. Ein Zeichen für das, was in Nara möglich ist.

Rebsortenvielfalt: Koshu, Muscat Bailey, Albariño, Kerner, Zweigelt, Besonders spannend: gereifte Koshu von 98WINEs und Misawa. Weine wie fernöstliche Rieslinge. Muscat Bailey A – charmant, aber oft simpel. Albariño: in Toyama erstaunlich präzise. Der von Says Farm – einer der besten, die ich je getrunken habe. Eine salzige Brise, ein japanisches Galizien.

Die Begeisterung für und Neugier auf die Entwicklung der Pinot Noirs mit dem gewissen Etwas, das ich nur mit Umami umschreiben mag, bleibt. Wer hinter die formale Perfektion schaut, entdeckt in Japan emotionale Tiefe – in der Natur, im Gespräch, im Glas. Was bleibt, ist feinstes Umami. Und zu wissen, dass es sich lohnt dieses Weinland im Aufbruch wieder zu besuchen.

Gerne biete ich Euch Tips und Kontakte für Eure nächste Japanreise an. Oder wenn Ihr Inspirationen für Eure Wein- und Sakekarte sucht. claudia@wineandglory.de oder folgt mir unter wine.glory auf Instagram. Dort findet Ihr noch viel mehr Japanstories.

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Guido Fritz
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